Pflegereform 2021
Jens Spahn ignoriert die Belange von Menschen mit Behinderung und ihren Familien
Die Fachverbände sind empört über geplante Verschlechterungen bei der Verhinderungspflege.
Der vergangene Woche bekannt gewordene Arbeitsentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium zum Pflegereformgesetz stößt bei den Fachverbänden für Menschen mit Behinderung auf große Verärgerung. Vorgesehen ist darin, dass ein Teil der sogenannten Verhinderungspflege künftig einer längeren Verhinderung der Pflegeperson vorbehalten bleibt. Für die stundenweise Inanspruchnahme der Verhinderungspflege sollen dagegen ab dem 1. Juli 2022 nur noch maximal 40 Prozent des Gesamtjahresbetrags zur Verfügung stehen.
„Im Ergebnis werden durch diese Regelung die Mittel für die flexible Einsetzbarkeit der Verhinderungspflege um fast 50 Prozent gekürzt“, erläutert Helga Kiel, Vorsitzende des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm). „Derzeit stehen für die stundenweise Inanspruchnahme von Verhinderungspflege jährlich 2418 Euro zur Verfügung, künftig sollen es nur noch 1320 Euro im Jahr sein. Das ist ein Schlag ins Gesicht für Eltern behinderter Kinder.“
Die Fachverbände treten deshalb den Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn zur Einschränkung der derzeitigen Flexibilität von Verhinderungspflege entschieden entgegen. Gerade die Möglichkeit, Verhinderungspflege stundenweise in Anspruch zu nehmen, ist für Familien mit behinderten Kindern von besonderer Bedeutung, da hierdurch kurzfristige Auszeiten von der Pflege im nicht immer planbaren Pflege- und Familienalltag realisiert werden können. Für viele Familien ist die stundenweise Inanspruchnahme auch die einzige Möglichkeit, Verhinderungspflege geltend zu machen, da insbesondere für Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf nicht genügend geeignete Ersatzpflegeangebote für längere Zeiträume zur Verfügung stehen. Entlastung kann nur effektiv sein, wenn sie flexibel, ganz nach Bedarf genutzt werden kann. Auf Eltern behinderter Kinder, die durch die Corona-Pandemie ohnehin schon hochgradig belastet sind, sollte gerade jetzt besonders Rücksicht genommen werden.
Mehrfach hatten sich die Fachverbände deshalb auch bereits im Vorfeld des nun bekannt gewordenen Arbeitsentwurfs an Jens Spahn gewandt, um auf die besondere Situation von Familien mit behinderten Kindern und die Bedeutung der Verhinderungspflege für diesen Personenkreis aufmerksam zu machen. „Eine Antwort auf unsere Schreiben haben wir bis heute nicht erhalten“, macht Kiel deutlich. „Unsere Gesprächsangebote zu diesem Thema wurden geflissentlich ignoriert. Stattdessen werden wir nun mit dem Arbeitsentwurf zum Pflegereformgesetz vor vollendete Tatsachen gestellt.“
Auch an vielen anderen Stellen macht sich Protest gegen die Pläne von Jens Spahn breit. So hat eine Petition unter www.openpetition.de/!pflegereform mit dem Titel „Keine Einschränkung der Flexibilität von Verhinderungspflege durch die Pflegereform 2021!“ bereits über 20.000 Unterstützende gefunden, darunter viele Eltern behinderter Kinder. Zur Motivation für die Unterzeichnung der Petition schreibt dort ein Unterzeichner treffend: „Ich bin Vater eines schwerbehinderten Kindes. Die Planungen für das neue Gesetz sind offensichtlich auf der Grundlage von Überlegungen geschehen, die mit unserer Realität nichts zu tun haben.“
Quelle: Medienmitteilung Fachverbände für Menschen mit Behinderung (https://www.diefachverbaende.de/)
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